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07.10.2004: 
Spurensuche in Budapest (2)

Auf der Spur des islamischen Erbes in Ungarn - Von Abdurrahman Reidegeld, Köln


Auch die christlichen Friedhöfe - ein katholischer und ein evangelischer, seinerzeit auf Pester Seite, im Norden der Garnison gelegen - wurden durch die spätere klassizistische Siedlung überbaut. Auch gab es damals im Stadtgebiet - wie auch heute noch - gepflegte Gartenanlagen sowie wilde Gärten; einen besonderen, schaurigen Ruf genossen die (bis heute noch existierenden) Anlagen, die bis heute „Blutgärten“ genannt werden.

Sie heißen darum so, weil sich - innen in ihnen verborgen - Hinrichtungsstätten befanden: ähnlich wie in Istanbul, wo die vom Sultan oder Großwesir zum Tode Verurteilten ja an einem festen Platz, nämlich vor dem Festungstor des Serails, hingerichtet wurden, tat man dies entsprechend in Buda außerhalb der Stadtmauern in eben diesen Gärten.

Ein Grüngebiet ganz anderer Art war dahingegen ein südwestlich gelegenes Außenviertel, das ein Villenviertel von reichen Kaufleuten und Vornehmen der Stadt war; dieses Viertel hatte wahrscheinlich viele türkische Herrenhäuser, wie man sie etwa von Istanbul her kennt, und daher wurde hier nach der habsburgischen Einnahme alles Osmanische zerstört. Am heutigen Stadtplan sieht man sehr deutlich, dass der ursprüngliche Straßenverlauf und Grundriss der Altstadt hier keine Entsprechung mehr findet.

Was an Bauwerken überlebte, sind die noch heute funktionierenden Bäder und die Mausoleums-Türbe der Stadt. Zunächst das „Kaiserbad“: Dieses lag ursprünglich im spärlicher besiedelten, nördlichen Wohngebiet, einem Außenviertel, welches bis 1684 noch nicht vollständig an die Stadtmauern angeschlossen war. Das türkische Bleidach mit zeittypischen Beschlägen ist bis heute noch original erhalten, ebenso der Innenausstattungsbereich, während die Außenmauern erneuert und in einen neueren, klassizistischen Badbau umgewandelt wurden. Das „Königsbad“ hingegen ist - als einziges der vier erhaltenen Bäder - sowohl innen als auch außen voll erhalten. Das zweite vollständig erhaltene Monument (das dritte in dieser Aufzählung) ist die Türbe, ein Grabmausoleum, das einem Bektaschi-Mystiker namens „Gül Baba“ gewidmet ist und in welchem sich ursprünglich auch sein Sarg befand.

Von diesem Bektaschi-“Heiligen“, dessen Türbe offenbar schnell zum synkretistischen Zentrum auch vieler ortsansässiger ungarischer Christen wurde, kennt man zwar nicht die genaue Identität, wohl aber, dass er Rosen sehr liebte (daher auch der Name Gül Baba, türk.: „Rosen-Vater“). Auf der entgegengesetzten Seite von Buda, am Rande des Gellert-Hügels im ebenfalls ansteigenden Taban-Gebiet, liegt ein weiteres Bad, das ebenfalls äußerlich weitgehend und innen gänzlich erhalten ist: das so genannte „Serbenbad“ - ein Name, der darauf zurückzuführen ist, dass dieses frei vor den Stadtmauern anliegende, südliche Außenviertel von muslimischen Serben bewohnt wurde, die dort ihr eigenes Bad einrichteten.

Das vierte und zugleicht letzte erhaltene osmanische Bad ist das so genannte „Rudererbad“; es lag in unmittelbarer Nähe der Anlegestelle der Fährenruderer, die neben der Pontonbrücke Menschen, Tiere und Lasten über die Donau übersetzten.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Pester Seite: Die hier ursprünglich vorhandene osmanische Garnisonsfestung verschwand bis auf wenige Mauerreste; eine nennenswerte Besiedlung - sowie damit verbundene Neubebauung - der Pester Donauseite erfolgte erst nach 1868, als der Status von Ungarn durch Verträge mit dem habsburgischem Kaiserreich neu geregelt und die alte Siedlung zur neuen Hauptstadt ausgebaut werden sollte; in rund zwanzig Jahren nur wurde eine gewaltige Fläche im damaligen klassizistischen Stil bebaut, der dem heute noch in Wien vorherrschenden sehr eng verwandt ist; heute findet sich also - von dem mittelalterlichen Festungsring abgesehen, der übrigens damals (ca. 1880) auch renoviert wurde - die eigentliche Altstadtsubstanz de facto in Pest.

Der Stadtplan mit seinem Straßenverlauf jedoch zeigt bis heute, dass nur das eigentliche alte Stadtgebiet, das alte Buda/Budin der osmanischen Zeit, organisch gewachsen ist, im Gegensatz zum heutigen Pest, welches säuberlich in rechtwinkligen Straßenzügen angelegt wurde. Dennoch schimmert die alte Grundlinie der einstigen Garnisonsmauer mit anliegenden Straßen und Tordurchlässen zum Umland noch im heutigen Grundriss durch.

So bewahrt sich zumindest in Teilen die Erinnerung an eine sicher prachtvolle, islamisch-osmanische Stadt, die nicht mehr ist. 

- Veröffentlicht in der IZ (Islamische Zeitung) -

 

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